Was ist eigentlich Neurodiversität / -divergenz

Das Wort Neurodiversität setzt sich aus zwei Begriffen zusammen. Neuro kommt von Neurologie und ist die Wissenschaft vom Nervensystem. Der Begriff Diversität ist aktuell in aller Munde und bezeichnet die Verschiedenheit bzw. Unterschied. Der Begriff Diversität wird aktuell verwendet, wenn es um Themen wie Geschlecht, Alter, Herkunft, sexuelle Orientierung geht. Die Neurodiversität, also die neurologische Verschiedenheit ist somit als Resultat normaler genetischer Variation zu verstehen und beschäftigt sich mit den Bereichen Lernen und Behinderung. Als Neurodiversität oder neurologische Diversität wird ein Konzept bezeichnet, in dem neurobiologische Unterschiede als natürliche Variation angesehen und respektiert werden. Das Konzept der Neurodiversität versteht unter anderem Autismus, AD(H)S, Dyskalkulie, Legasthenie und Dyspraxie als eine natürliche Form der menschlichen Diversität. Somit wendet sich dieser Ansatz gegen die Auffassung, dass diese Variationen der Neurobiologie eine psychische Störung ist und behandelt werden muss. Vielmehr sollten die neurobiologischen Unterschiede als natürliche Variation angesehen und respektiert werden.

Wie der Überbegriff Neurodiversität wurde auch das Wort Neurodivergenz von der Soziologin Judy Singer geprägt. Während sich der Begriff ursprünglich speziell auf Menschen mit Autismus bezog, hat sich die Verwendung des Begriffs in den letzten Jahren erweitert. Wenn bestimmte Gehirnfunktionen eines Menschen so deutlich anders arbeiten, dass es innerhalb der Gesellschaft nicht mehr als im „normalen Bereich“ betrachtet wird, spricht man von Neurodivergenz.

Eine der Schwierigkeiten, denen autistische Personen im Alltag begegnen, ist die eingeschränkte Fähigkeit, Mimik und Gestik intuitiv zu lesen. Deswegen fällt es ihnen in Gesprächen manchmal schwer, die Absichten, Emotionen und Stimmungen ihres Gegenübers richtig einzuschätzen. Das ist auch der Grund, warum autistische Menschen oft Augenkontakt vermeiden.

Ende der 90er Jahre ist die Neurodiversitätsbewegung entstanden, die eine pathologische Betrachtung von Neuro-Minderheiten generell ablehnt. Autistische Personen spielen in dieser Bewegung eine bedeutende Rolle. Mitglieder verschiedener Organisationen, die sich für die Rechte von Autisten einsetzen, sehen Autismus als eine Art zu Leben und nicht als eine Krankheit und plädieren deshalb für Akzeptanz statt Heilung.

Welche Vorteile hat Neurodivergenz für Unternehmen

Neurodivergenz im Team, also das Miteinander von Menschen mit neurobiologischer Vielfalt, hat eine positive Wirkung auf die Unternehmenskultur und die Arbeitsweise im Team: Die Kommunikation wird klarer und effizienter, Regeln und Rahmenbedingungen werden für alle besser verständlich, der Teamgeist wird gefördert und Teammitglieder nehmen mehr Rücksicht aufeinander. Oftmals werden die Mitarbeiter offener für Neues, was sich positiv auf die Innovationskraft des Unternehmens auswirkt. Zudem ist ein weiterer Nebeneffekt, dass Mitarbeiter offener für weitere Diversitätsthemen, wie z.B. ältere Kollegen, andere Nationalitäten, etc. werden.

Und was ist Autismus

Definiert wird Autismus oft als „angeborene tiefgreifende Entwicklungsstörung“ – im Sinne der oben erwähnten Definition von Neurodivergenz ist dies keine hilfreiche Erklärung, um Autismus zu verstehen. Grob kann deshalb beschrieben werden, dass Autismus eine natürliche Variation in der menschlichen Neurobiologie ist. Die neuronalen Vernetzungen im autistischen Gehirn funktionieren anders als in einem neurotypischen Gehirn. Autismus ist somit eine besondere Art die Welt wahrzunehmen, in ihr zu handeln, zu leben.

Autismus verstehen: Video „Sensory Overload“, Director and Animator Miguel Jiron (MIGUEL JIRON | Sony Pictures Animation)

Autismus ist angeboren und beeinflusst die Informationsverarbeitung, die Wahrnehmung, die Kognition und die Emotionen einer Person. Wenn die Umgebungsfaktoren für autistische Menschen stimmig sind, kann Autismus erstaunliche Stärken und Fähigkeiten mit sich bringen und eine große Bereicherung sein, z.B. für Gruppen, für Unternehmen und für unsere Gesellschaft.

Selbst unter autistischen Personen gibt es die Diskussion, ob Autismus als Störung oder gar Krankheit bezeichnet werden sollte. In dieser Hinsicht scheiden sich die Gemüter da Autismus sehr unterschiedlich in Erscheinung treten kann. Autistische Menschen unterscheiden sich hinsichtlich der Ausprägung der Besonderheiten und Fähigkeiten stark voneinander. Deshalb wird von einem Autismus-Spektrum (ASS) gesprochen und Schätzungen der UNO zufolge leben weltweit ca. 67 Millionen Menschen, also etwa einer von 100 Menschen, im Autismus-Spektrum. Weiteren Schätzungen zufolge sind nur 10% der Autisten in Deutschland auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig.

Wie alle Menschen, ist auch jeder Autist einzigartig in seiner Persönlichkeit, die durch den individuellen Charakter und die persönlichen Lebenserfahrungen geprägt wird. Man könnte es auch so formulieren, dass es egal, ob jemand neurodivers oder neurotypisch ist, jeder Mensch einmalig ist und seine eigenen Stärken mitbringt. Sicherlich gibt es Autistische Menschen, die mehr Herausforderungen haben als andere, aber genau diese Aussage trifft auch auf neurotypische Personen zu.